Der Weg zum selbstfahrenden KMU

Die mittelständischen Unternehmen sind bis heute das Rückgrat der Wirtschaft. Während global agierende Konzerne bereits in vielen Bereichen intelligente Software einsetzen, beschränken sich diese Lösungen in den typischen Familienbetrieben auf die Kernprozesse. Dabei bleiben viele Potenziale ungenutzt, gleichzeitig werden die Menschen in den Betrieben mit immer mehr Daten überfordert. Es ist also an der Zeit, sich fit für die digitale Zukunft zu machen.

Blog KMU - Das selbstfahrende Unternehmen

Die Mehrzahl der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) agiert bis heute immer noch weitgehend auf analoger Basis, obwohl bereits heute vielfaltige digitale Werkzeuge zur Verfügung stehen, wie ERP-Programme (Enterprise Resource Planning), Robotiksysteme oder Online-Shops. Die meisten Prozesse erfolgen jedoch nur teilweise digital, Entscheidungen werden immer noch zu einem großen Teil von Menschen getroffen – dafür werden die zumeist mühsam und langwierig manuell Daten aufbereitet, z. B. mit Hilfe von Excel-Tools.

Herkömmliche Prozesse in den meisten KMU basieren auf einer linearen Abfolge von Schritten: Es gibt einen Startzustand, Ereignisse, die etwas verändern oder verarbeiten, um am Ende einen Ergebniszustand zu erreichen – eine gute Basis für die Automatisierung. Bis heute werden diese Prozesse jedoch weitgehend manuell abgearbeitet: Teile werden per Gabelstapler aus dem Lager geholt, Werkzeuge aus dem Magazin entnommen, bearbeitet und montiert, verpackt und für den Versand vorbereitet. Die ERP-Software unterstützt diese Tätigkeiten nur, in der gesamten Prozesskette gibt es nur punktuelle Wechselwirkungen zwischen Mensch und Maschine bzw. Mensch und Software.

Damit befinden sich die meisten KMU derzeit noch in einem Stadium, in dem Roboter oder Programme nicht selbständig operieren, sondern noch mit Menschen interagieren müssen. Nur in wenigen Bereichen ist es bisher gelungen, einzelne dieser traditionellen Prozessketten vollständig zu automatisieren. Die ERP-Systeme haben an diesem Zustand grundsätzlich noch nichts geändert: Der lineare End-to-End-Prozess existiert in den meisten Bereichen immer noch. Noch immer sind es Menschen, die Genehmigungs-, Eingabe- oder Review-Prozesse betreuen, immer noch sammeln Menschen manuell alle Daten aus dem System.

Intelligente Software zur Bewältigung zunehmender Komplexität

Dieses manuelle Datenbearbeiten stößt zunehmend an Grenzen. Denn durch die rasante Zunahme der Datenmengen und die Beschleunigung der Datenübertragung steigt der Druck an der Schnittstelle zum Menschen stetig. So treten seit dem 21. Jahrhundert vermehrt stressbedingte Überlastungserscheinungen auf, bis hin zum kompletten Burnout. Mit der ständigen Verfügbarkeit über Smartphones reagieren immer mehr Menschen fast rund um die Uhr auf Anrufe, E-Mails, SMS oder WhatsApp-Nachrichten. Immer mehr Unternehmen erwarten, dass ihre Mitarbeitenden auch an Wochenenden und Feiertagen erreichbar sind.

Entlastung ist nicht in Sicht: Mit der globalen Digitalisierung wachsen die Menge und Komplexität der zu verwaltenden Informationen ungebremst weiter. Da die aktuell eingesetzten IT-Systeme noch keine intelligenten Entscheidungen treffen, belastet der Stressfaktor „Information Overload“ immer mehr Jobs.

Abhilfe kann hier nur Software schaffen, die auf künstlicher Intelligenz basiert. Sie kann den Menschen durch selbstlernende Algorithmen und Netzwerkfunktionen die meisten täglichen Entscheidungen abnehmen, kann mit der Komplexität von immer mehr Informationen in hoher Geschwindigkeit, ohne Ermüdung und  fehlerfrei umgehen. Dadurch wird ein Großteil der Last von der Software übernommen – der Mensch wird endlich frei, sich höheren, menschlicheren, empathischeren und kreativeren Aufgaben zu widmen.

Integration aller Prozesse

In den meisten KMU wird den wertschöpfenden Prozessen, oft Kernprozesse genannt, die meiste Aufmerksamkeit geschenkt. Dadurch hat gerade in diesem Bereich bereits mehr Digitalisierung stattgefunden als in Supportprozessen. So ist die Automatisierung bei Kernprozessen je nach Art des Produkts im Vergleich zu anderen Unternehmensfunktionen bereits weit fortgeschritten, Stichwort Industrie 4.0. Dank umfassender Vernetzung, flexibler, intelligenter und selbstlernender Robotersysteme, individueller Auftragsfertigung und ständiger Reaktion auf Marktreaktionen können KMU aber auch im Bereich der Produktion bis 2035 ungeahnte Potenziale entfalten. Bisher sind diese nur in geringem Umfang genutzt worden, da der Fokus von Eigentümern und Managern immer auf der Verbesserung der Produktion lag und die weiteren Prozesse isoliert und wenig beachtet waren.

Zukünftig werden alle Informationen aus allen Bereichen des selbstfahrenden Unternehmens ständig überprüft und fördern einen optimalen Betrieb im gesamten Unternehmen. Dadurch werden nicht nur Engpässe und Störungen in der Produktionskette sowie Wartezeiten reduziert. Dank der erreichten komplexen Interdependenzen passt sich jeder in Echtzeit an alles an – basierend auf genau kombinierten Daten, weit über das Niveau traditioneller KMUs hinaus. Die Verarbeitung erfolgt nicht zentral, sondern dezentral. Vergleicht man diese Datenverarbeitungsprozesse mit dem analogen Hin- und Hertransferieren von Dokumenten, so werden die ungeahnte Potenzial besonders deutlich – wie auch bei der Interaktion mit den Märkten.

Präzise Kommunikation mit den Märkten

Typisch für KMU ist auch, dass Vertrieb und Produktion nicht digital verknüpft sind. Diese Trennung der Vertriebs- und Produktionsplanung basiert auf der Komplexität der Geschäftstätigkeit der beiden Bereiche, der unterschiedlichen Expertise und der Organisation der damit betrauten Personen. Wenn alle Verkaufs- und Produktionsfunktionen mittels intelligenter Software vollständig integriert sind, kann die Produktion viel genauer geplant werden und die Kundenerwartungen können immer besser erfüllt werden.

Heute werden in traditionellen KMU die Neukundengewinnung, Verkauf, Kommunikation und Markenentwicklung hauptsächlich von Menschen umgesetzt. Die Wirkung dieser Aktionen und  Kampagnen ist damit gar nicht oder nur langfristig messbar, wodurch es oft schwierig ist festzustellen, welche Faktoren wirklich für Erfolg oder Misserfolg verantwortlich sind. Wer es genau wissen will, muss ein teures Marktforschungsinstitut beauftragen. Auf Messen werden komplette Abteilungen entsandt, um das Unternehmen zu präsentieren, Cluster organisieren Netzwerktreffen, damit sich relevante Partner finden können. Der daraus resultierende Erfolg für das Unternehmen – Bekanntheit, Bestellung oder Kauf – basiert maßgeblich auf Zufall und den Talenten der entsandten Personen.

In einem vollständig digitalisierten Unternehmen ist es hingegen möglich, datengestützte Kampagnen zu entwickeln und jede gewünschte Analyse sofort vorzunehmen: Anhand von Informationen über das Suchverhalten, die in diesem Bereich der Website verbrachte Zeit oder Klicks werden automatisiert präzise Statistiken erstellt werden, mit denen die Produkte und Services laufend verbessert werden können. Außerdem lässt sich anhand dieser Daten analysieren, wer genau die richtigen Kunden sind und wie sie am besten erreicht werden können. In klassischen KMU waren und sind diese Informationen sehr stark an die Person der Verkäufer gebunden. Da dieses implizite Wissen auch eine gewisse Machtposition ermöglicht, wurde es oft nicht auf das Management des Unternehmens übertragen, wodurch erhebliche Potenziale verloren gingen.

Zu beachten ist auch, dass der persönliche Kontakt gerade im B2B-Geschäft und bei hochwertigen oder erklärungsbedürftigen Produkten weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird. Es wird jedoch maßgeblich durch Daten unterstützt und damit aufgewertet, da der Verkauf die Bedürfnisse seiner Kunden besser denn je kennen wird. Zudem können alle Transaktionsdaten erfasst und in ein selbstlernendes System eingespeist werden, um die Abläufe im Verkauf zusätzlich zur persönlichen Intuition zu optimieren.

Rasche und analytische Angebotserstellung

Ein äußerst komplizierter und langwieriger Prozess in traditionellen KMU ist die Erstellung eines Angebots in einer Ausschreibung. Dies lässt sich am besten am Beispiel eines Generalplaners in der Baubranche beschreiben: Er muss das Gesamtprojekt in Teilleistungen und Gewerke aufteilen und diese hinsichtlich ihres Umfangs und aller qualitativen Merkmale genau beschreiben. Das Ergebnis sind mehr als 100 Seiten starke Ausschreibungstexte mit Tausenden von Positionen, die wiederum in der Schnittstelle zu den anbietenden Bauunternehmen bepreist werden müssen. Der Kalkulant wird weitgehend von seiner Erfahrung und Intuition geleitet. Einerseits muss er versuchen, die Preise niedrig zu halten, um den Auftrag zu bekommen – andererseits muss er so hoch kalkulieren, dass sich der Auftrag für das Unternehmen lohnt. Letztendlich könnte diese Aufgabe mit individuellen Algorithmen und allen verfügbaren Daten leicht berechnet werden. Da dies in klassischen KMU jedoch nicht der Fall ist, entscheidet die innere Befindlichkeit eines Mitarbeiters zusammen mit hunderten kleinen analogen Prozesse über Erfolg oder Misserfolg von Großprojekten in Millionenhöhe. Außerdem hat dieser unglaublich komplexe, zeitaufwändige und fehleranfällige Prozess nichts mit der eigentlichen Wertschöpfung zu tun, die das Unternehmen erbringt: Dem Bau des Gebäudes.

In den heutigen, noch weitgehend analogen Bauunternehmen unterstützt der Einsatz digitaler Technologien den Planungsprozess nur in bestimmten Bereichen. Mit Hilfe von CAD-Plänen müssen die Maße zwar nicht mehr mit Lineal, Stift und Taschenrechner errechnet werden – mit Hilfe von Angebotstools können bereits Mustertexte verwendet und die Summen berechnet werden. Dennoch arbeiten diese Tools noch weitgehend isoliert, sind nicht mit anderen Funktionen vernetzt und erfordern ein hohes Maß an menschlicher Kontrolle.

Bei „selbstfahrenden“ Bauunternehmen reicht es z. B., einen digitalen 3D Plan mit allen Details zu erstellen. Auf Basis der aktuellen Daten aller Unternehmensbereiche – Ressourcen, Auslastungsgrad, empirisch erfasste Investitionen, Angebotsdaten aus der Vergangenheit, Prognosen, saisonale und konjunkturelle Effekte – errechnet der selbstlernende und sich somit kontinuierlich weiterentwickelnde Algorithmus das Offert im Handumdrehen in höchster Präzision. Auf Wunsch kann vorab eine manuelle Prüfung und Freigabe des Angebots erfolgen. Bei Auftragserteilung können mit diesen Daten sofort alle weiteren Planungsschritte erfolgen.

Wie diese Ausführungen gezeigt haben, bietet die Vision vom „Selbstfahrenden Unternehmen 2035“ auch für traditionelle KMU viele konkrete Ansatzpunkte, um an den Entwicklungen der Märkte teilhaben zu können, die Menschen für höherwertige Aufgaben zu entlasten, Kundenerwartungen präzise zu erfüllen und damit nie dagewesene Wertschöpfung zu erbringen.

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