Die Vielfalt von intelligenten Softwaresystemen

Wir sind mitten in einem Prozess hin zum weit verbreiteten Einsatz von künstlicher Intelligenz in immer mehr Lebensbereichen. Das Fahren in einem selbstfahrenden Auto wird mehr und mehr Realität, wie bereits im chinesischen „Silicon Valley“ Shenzhen – mit nie dagewesener Verkehrssicherheit, ohne Ablenkung, Ermüdung, Drogen und Alkohol. Nur bei unseren Unternehmen glauben wir immer noch, dass es besser ist, alles per Hand zu machen. Doch, die einzige logische Konsequenz ist: Alles, was selbstfahrend sein kann, wird früher oder später auch selbstfahrend sein. Gesteuert von hochintelligenten, hoch lernfähigen und zuverlässigen Systemen, die genau dort eingesetzt werden, wo sie den Menschen weitaus überlegen sind und ihnen einen echten Nutzen verschaffen.

Nur wenn diese Eigenschaften erreicht werden, werden diese Softwaresysteme von der Gesellschaft akzeptiert. Aus diesem Grund müssen neben den technischen Voraussetzungen für diese kognitiven Algorithmen auch emotionale und gesellschaftspolitische Anforderungen erfüllt werden. Wie bei allen technischen Innovationen, zuletzt beim Smartphone und nunmehr beim selbstfahrenden Verkehr ist dann davon auszugehen, dass eine rasche Gewöhnung an deren Annehmlichkeiten erfolgt.

Die selbstfahrenden Autos in China müssen mit einer externen Anzeige ausgestattet sein, um andere Verkehrsteilnehmer darüber zu informieren, dass sich das Auto im autonomen Modus befindet, grüne Lichter leuchten an der Front und an den Seiten auf. In Shenzhen sind über den selbstfahrenden öffentlichen Verkehr hinaus bereits seit 2020 immer mehr solche Taxis unterwegs – und die Menschen haben sich längst daran gewöhnt.

Abbildung 1: Selbstfahrende Robo-Taxis in China Quelle: South China Morning Post 2023
Abbildung 1: Selbstfahrende Robo-Taxis in China Quelle: South China Morning Post 2023

Weiter wachsende Rechenleistungen

Die für selbstfahrende Systeme erforderlichen Algorithmen erfordern Deep-Learning-Prozesse und dafür eine erhebliche Rechenleistung. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Kapazitäten in Zukunft weiter exponentiell wachsen werden. Das aktuell eingesetzte iPhone hat die Leistung, für die noch vor wenigen Jahren ganze Rechenzentren erforderlich waren.

Die intelligente Software wird aufgrund der enormen Leistung im Kern immer noch auf einzelnen Algorithmen basieren, letztlich jedoch aus der Vernetzung von Teilsysteme resultieren – mit dem Ziel der „General Intelligence“, die dem Denken von Menschen bereits in vieler Hinsicht nahekommt. Derzeit befindet sich die KI jedoch noch weit davon entfernt. Die meisten aktuellen Anwendungen intelligenter Software sind auf spezifische Aufgaben oder Anwendungsbereiche beschränkt und können nicht so flexibel oder vielseitig wie menschliche Intelligenz eingesetzt werden. Doch die immer leistungsfähigeren „neuronalen Netze“ lernen selbständig, wie sie komplexe Muster in Daten erkennen und darauf basierend Entscheidungen oder Vorhersagen treffen können. Mit „Reinforcement Learning“ werden KI-Systeme belohnt, wenn sie gute Entscheidungen treffen.

Unternehmen werden immer mehr handlungsrelevante Sachverhalte mittels intelligenter Software selbständig erkennen und darauf reagieren können – und damit nach und nach die bisherigen Prozesse ersetzen. Das KI-System lernt durch Machine-Learning-Algorithmen aus seinen Erfahrungen und wird im Laufe der Zeit immer besser darin, seinen Job zu erledigen und richtige Entscheidungen zu treffen. Dieses Decision-Making-System basiert auf einer Kombination von regelbasiertem Programmieren und Machine Learning-Algorithmen.

Intelligente und umfassende Marktanalysen

Intelligente Software kann von Unternehmen z. B. genutzt werden, um den Markt zu analysieren, indem sie große Mengen an Daten sammelt und verarbeitet, um Trends und Muster zu identifizieren. So können etwa Beiträge auf Social-Media-Plattformen mittels laufendem Monitoring ausgewertet werden, um Einblicke in die Meinungen und Bedürfnisse der Menschen zu erhalten. Das Unternehmen kann mit diesen Ergebnisse Kampagnen entwickeln oder Produkte an die Kundenbedürfnisse anpassen.

Ähnlich können die Aktivitäten der Wettbewerber auf dem Markt überwacht und analysiert werden, um eine Grundlage für eine Strategie zu erhalten, sich von den Wettbewerbern abzuheben und zu differenzieren. Mit Szenariomodellen können Prognosen über zukünftige Trends und Entwicklungen auf dem Markt erstellt werden.

Um die oben genannten Anwendungen von KI in der Marktanalyse erfolgreich umzusetzen, benötigt das Unternehmen zunächst eine umfassende Datenstrategie – andererseits auch ein grundlegendes Verständnis der eigenen internen und externen Geschäftsprozesse. Nur so können die Softwaresysteme auf die richtigen Daten zugreifen und diese sinnvoll verarbeiten.

Intelligente, selbstfahrende CRM Systeme

Beim Customer Relationship Management (CRM) kann noch mehr als bereits heute Intelligente Software eingesetzt werden, um personalisierte Erfahrungen und Erlebnisse für Kunden zu schaffen, das Kundenengagement zu verbessern und letztlich damit die Kundenbindung zu erhöhen. Mithilfe von KI-Algorithmen können individualisierte Vorhersagen getroffen werden, welche Produkte oder Services für bestimmte Kunden relevant sein könnten, basierend auf ihren früheren Interaktionen oder Käufen. Zudem werden immer bessere Chatbots entwickelt, die Kundenanfragen automatisch beantworten können, mittlerweile auch mit Sprachein- und Ausgabe: Natural Language Processing sorgt dafür, dass Chatbots  – ähnlich wie Siri oder Alexa – auch in kleineren Unternehmen menschenähnliche Gespräche führen und Kunden bei der Lösung von Problemen und Fragen unterstützen.

Mit intelligenter Software können auch Social-Media-Posts mit Kundenbewertungen analysiert werden um zu verstehen, wie Verbesserungen vorgenommen und auf Kundenbeschwerden oder -fragen reagiert werden kann. KI kann zudem genutzt werden, um Leads – potenzielle Kunden, die Interesse an einem Produkt oder einer Dienstleistung gezeigt haben – zu bewerten und zu priorisieren, basierend auf der Berechnung ihres Potenzials. Insgesamt kann das Unternehmen (im Rahmen des Datenschutzes) sämtliche online erfassbaren Verhaltensmuster dieser Interessenten analysieren und Prioritäten setzen, um seine Verkaufschancen zu erhöhen.

Kontinuierliche Optimierung der Produktion

In der Produktion können intelligente Softwaresysteme eingesetzt werden, um den Herstellungsprozess zu steuern, zu optimieren und zu automatisieren. So kann KI im Sinne der Predictive Maintenance genutzt werden, um die Leistung von Maschinen und Anlagen zu überwachen und Vorhersagen darüber zu treffen, wann und wie Wartungsarbeiten durchgeführt werden müssen um Defekte in der Produktion frühzeitig zu erkennen. Auf diese Weise können Ausfallzeiten minimiert und die Produktivität gesteigert werden.

Mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen können Produkte automatisch auf Fehler und Abweichungen geprüft werden, damit kann die Qualität kontinuierlich verbessert werden. Um Produktionsprozesse automatisiert zu optimieren und die Durchlaufzeiten zu verkürzen, kann das Unternehmen mithilfe von KI-Algorithmen Entscheidungen in Echtzeit treffen. Zudem kann KI genutzt werden, um den Energieverbrauch, den Materialbedarf und andere relevante Faktoren in der Produktion zu optimieren.

Wie aus den Beispielen geschlossen werden kann, bedarf es zwar eines hohen Aufwands, diese Systeme erst einmal aufzubauen, in Folge werden sie sich jedoch rasch amortisieren.

Erfolgreich und unermüdlich im Vertrieb

Intelligente Softwaresysteme können auch im Vertrieb eingesetzt werden, um den Verkaufsprozess zu optimieren und den Umsatz zu steigern. So kann KI genutzt werden, um Vorhersagen über Verkaufschancen und Umsatzpotenziale zu treffen. Mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen lassen sich historische Daten analysieren, um Prognosen über zukünftige Verkaufsergebnisse zu treffen und den gesamten Vertriebsprozess entsprechend anzupassen. Mit intelligenter Software können auch automatisierte E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten erstellt werden, die personalisiert auf deren Bedürfnisse eingehen. Dafür werden mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen die Interessen und Präferenzen analysiert, um relevante und personalisierte Inhalte zu liefern.

Zudem kann KI auch genutzt werden, um Preisstrategien zu entwickeln und zu optimieren, um den Gewinn zu steigern, indem die Kaufhistorie und das Kaufverhalten von Kunden analysiert werden. Idealerweise werden Preisstrategien mit Daten aus dem Controlling, Z. B. aus der Deckungsbeitragsrechnung abgestimmt. Um solche und ähnliche Maßnahmen  erfolgreich umzusetzen, benötigt das Unternehmen eine umfassende Datenstrategie und ein analytisches Verständnis des Zusammenwirkens sämtlicher Prozesse. Erst dann können die einzelnen Teilsysteme wechselseitig auf die richtigen Daten zugreifen und diese sinnvoll verarbeiten.

Im Mittelpunkt steht weiterhin der Mensch

Letztlich darf nie vergessen werden, dass bei aller Automatisierung stets die Bedürfnisse von Menschen im Vordergrund stehen müssen. So gibt auch im zu 80 % selbstfahrenden Unternehmen weiterhin genügend Aufgaben, die von Menschen ausgeführt werden. Diese sind jedoch großteils höherwertiger und anspruchsvoller – und damit auch spannender. Dazu gehört z. B. die Entscheidungsfindung in komplexen und unerwarteten Situationen – oder die Zusammenarbeit und Kommunikation mit großen Kunden und innovativen Projekten. Auch die Entwicklung von Strategien und Innovationen wird weiterhin eine menschliche Aufgabe bleiben.

Ein wichtiger Aufgabenbereich wird die Überwachung und Kontrolle der KI-Systeme sein. Auch hier bedarf es menschlicher Expertise um sicherzustellen, dass sie ethischen und moralischen Prinzipien folgen, z. B. in keiner Weise diskriminierend sind.

Insgesamt wird der Mensch also auch in einem von intelligenter Software gesteuerten Unternehmen eine wichtige Rolle spielen. Zutiefst menschliche Fähigkeiten wie Kreativität, Empathie, Urteilsvermögen und strategisches Denken werden auch in Zukunft unverzichtbar bleiben, um die Herausforderungen des immer rascheren Wandels agil zu bewältigen und geeignete neue Formen der Wertschöpfung zu generieren.

Quellen

Bonson, E.; Bednarova, M.; Perea, D. (2023): Disclosures about algorithmic decision making in the corporate reports of Western European companies. In:  International Journal of Accounting Information Systems, Volume 48, March 2023, 100596.

Chatterjee, S.; Chaudri, R.; Vrontis, D. (2023): Adoption of AI integrated partner relationship management (AI-PRM) in B2B sales channels: Exploratory study. In: Industrial Marketing Management, Volume 109, February 2023, S. 164–173.

Igna, I.; Venturini, F. (2023): The determinants of AI innovation across European firms. In: Research Policy, Volume 52, Issue 2, March 2023, 104661.

South China Morning Post (2023): Chinese autonomous driving firm WeRide to expand services, as sector eyes commercialisation https://www.scmp.com/tech/start-ups/article/3120412/chinese-autonomous-driving-firm-weride-expand-services-sector-eyes

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