Enterprise Architecture für selbstfahrende Unternehmen

Selbstfahrende Unternehmen werden ganzheitlich gedacht und basieren auf einer stabilen Gesamtsoftwarelandschaft (Enterprise Architecture). Dieses Fundament besteht aus intelligenten Softwaresysteme die miteinander vernetzt sind, interagieren und ihre Daten laufend austauschen.

Blog Enterprise Architecture - Das selbstfahrende Unternehmen

Noch bis in die frühen 2000er Jahre konnten 3- bis 5-Jahrespläne zuverlässig erstellt werden. Seither nimmt die Veränderungsgeschwindigkeit der Rahmenbedingungen enorm zu. So wurde es in den letzten Jahren für viele Unternehmen immer schwieriger, längerfristige Strategien zu entwickeln. Entscheidungen wurden immer kurzfristiger – aber auch immer kur¬zsichtiger getroffen, nach dem Motto „Loch auf, Loch zu“, ohne eine solide Datenbasis. Mit diesen Hektik ging auch der unerlässliche langfristige Weitblick verloren. Viele Unternehmen erkennen bis heute nicht, dass ihre Software-Strukturen hoffnungslos veraltet sind. Die Basis für den Weg in die Zukunft sind die Enterprise Resource Planning (ERP) Systeme – auch wenn für das Selbstfahrende Unternehmen noch entscheidende Funktionen fehlen: Die Echtzeit-Buchführung und die vollständige Datenverknüpfung.

Die ERP-Systeme sind eine Weiterentwicklung dessen, was ursprünglich MRP (Manufacturing Resource Planning) war. In immer mehr Unternehmen werden ERP Systeme als Herz ihrer gesamten Software eingesetzt. Damit werden die Prozesse der Unternehmen optimiert, indem ein System integrierter und zentralisierter Anwendungen bereitgestellt wird, um die Verwaltung und Automatisierung vielfältiger Geschäftsvorgänge, einschließlich Buchhaltung, Personalwesen, Vertrieb und Bestandsverwaltung zu organisieren.

Zu den Ressourcen des ERP Systems zählen das Kapital, das Personal, Wissen, Material, Anlagen, Betriebsmittel und noch vieles mehr, wie die folgende Abbildung zeigt.

Verwaltete Ressourcen eines Enterprise Ressource Planning Systems (ERP)

ERP als integraler Bestandteil des Managements

Seitdem hat ERP einen langen Weg zurückgelegt. Die aktuell im Einsatz befindlichen Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sie möglichst alle Geschäftsprozesse digital abbilden und den Datenfluss fördern. Damit sollen mehrfache, redundante Datenbestände reduziert werden und die Gesamtdatenqualität des gesamten Unternehmens verbessert werden. Ist dieses ERP-Herz einmal professionell eingepflanzt, profitieren die Unternehmen von mehr Effizienz, Rentabilität und Zeitersparnis.

Heute sind ERP-Systeme vieler Anbieter auf dem Markt erhältlich, wobei es regionale und nationale Schwerpunkte gibt, wie bei SAP, Oracle, Microsoft und Sage. Diese Systeme sind mittlerweile ein integraler Bestandteil des Managements von Unternehmen auf der ganzen Welt, aller Größen und Branchen. Enterprise Resource Planning-Software bietet heute mehr Funktionen als je zuvor, wird immer ausgefeilter und passt sich immer individueller den Anforderungen der jeweiligen Branchen an. Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Lagerbestände, Produktions- oder Logistikdaten werden verwaltet. Damit werden können heute alle traditionellen End-to-End Prozesse im Unternehmen abgedeckt werden.

Unternehmen passen sich der Software an

Parallel zu der Entwicklung der ERP-Systeme wurden die Unternehmen im Zuge der Implementation dieser Software stark standardisiert. Das Erfordernis beruht auf der Vielzahl von Standardthemen, die bei einer ERP-Migration im Unternehmen umgesetzt werden müssen. Wenn im Unternehmen z.B. ein simples iPad erworben wird, muss dafür ein Bedarf bestehen und gemeldet werden. Folgende Prozessschritte sind erforderlich – unter Einbeziehung mehrerer Mitarbeiter:

  • Kostenstelle
  • Angebot
  • Bestellung
  • Lieferung und
  • Rechnung

Die Rechnung wird dann vom jeweiligen Verantwortlichen freigegeben und über eine Bank an den Händler überwiesen, der den Rechnungsbetrag in Folge bei der Quartalsweisen Abrechnung von der Steuer abgeschrieben.

Vor Einführung dieser ERP Systeme wurden diese Teilprozesse noch vollständig händisch durchgeführt. In Folge kam zu Fehlbestellungen, die Lieferungen wurden dann nicht angenommen oder zurückgesendet. Immer wieder wurden Rechnungen übersehen, verlegt oder gänzlich verloren. Mit der Einführung des ERP Systems mussten die Unternehmen durch die engen Vorgaben des Systems konditioniert werden, dass ihre Prozesse möglichst präzise ablaufen. Je höher der Grad der Digitalisierung ist, desto mehr einzelne Prozesse müssen diesen Gesetzen folgen.

Die entscheidenden Schritte, um selbstfahrend zu werden

Auf dem Weg zum Selbstfahrenden Unternehmen 2035 fehlen aus der aktuellen Perspektive zwei wichtige Schritte:

  • Die Echtzeit-Buchführung
  • Die vollständige Datenverknüpfung

Wären alle Teilprozesse standardisiert und digitalisiert, könnte bereits eine Echtzeit-Buchführung vorliegen. Damit könnte der aktuelle finanzielle Status des Unternehmens jederzeit auf Knopfdruck abgerufen werden. Es wäre somit nicht mehr erforderlich, einen mühsamen Jahresabschluss zu erstellen – vielmehr könnten ganz einfach und zu jedem Zeitpunkt auch die Ergebnisse der letzten Monate, Wochen oder auch Tage ermittelt und verglichen werden. Noch sind jedoch die ERP-Anbieter wie SAP, Oracle oder Microsoft noch nicht soweit, selbst das neue S/4hana (SAP) ist dazu noch nicht in der Lage.

Die technokratischen Hürden

Warum das noch nicht möglich ist, liegt an der technokratischen Herangehensweise der Softwarefirmen. Zudem sind die Unternehmer das bisherige Prozedere gewohnt und hinterfragen es nicht. Damit wird diese weitere, entscheidende Veränderung nicht vorangetrieben. Die Unternehmer glauben immer noch, mit einem Blick auf die Quartalszahlen und den aktuellen Kontostand eine gute intuitive Einschätzung der Lage zu erhalten. Mit diesem Blick in den Rückspiegel treffen sie ihre vorwärtsgerichteten Entscheidungen. Kommt es infolge zu ungünstigen Entwicklungen, findet sich dafür immer ein anderer Grund – oder Schuldiger. Der liegt dann immer außerhalb der eigenen Verantwortung: Der Markt entwickelt sich schlecht, die Kunden sind verunsichert, es gibt qualitative Probleme, saisonale Effekte oder Probleme bei den Lieferanten. Mögliche selbst verursachte Fehler bleiben unentdeckt, z. B. bei der Einschätzung der Liquidität. Obwohl die Verhaltensökonomie-Forschung längst gezeigt hat, wie vielfältig diese menschlichen Fehleinschätzungen sind, wird munter weitergemacht wie immer: mit offenen Ausgangsrechnungen mit unbestimmtem Eingang, Sprungstellen aufgrund von Nachzahlungen der Sozialversicherungs- und Einkommensteuer und unzähligen offenen Verbindlichkeiten.

Das aktuelle EBIT immer und überall – in Echtzeit und auf Knopfdruck

Alle oben beschriebenen Teilprozesse sind im Grunde bereits mit der Entscheidung, einen bestimmten Händler zu beauftragen vordefiniert: Lieferung, Rechnung, Zahlung, steuerliche Geltendmachung. Schon bei der Erfassung des Auftrages könnte das System zum Beispiel wissen, ob und wieweit das Gut abschreibbar ist. Die komplette Prozesskette könnte bereits in diesem Moment gebündelt vorliegen. Analog gilt das auch für sämtliche anderen Entscheidungen im Gesamtsystem, wodurch die Gesamtsituation sekundenschnell angepasst werden kann – oder auf Wunsch jederzeit ohne Verzerrungseffekte abrufbar ist.

2035 wird die Ermittlung dieses Gesamtergebnisses daher eher einem Aktienkurs gleichen als einem Jahresbericht: Das aktuelle EBIT wird immer und überall in Echtzeit und auf Knopfdruck ersichtlich sein. In Zukunft wird es möglich sein, aufgrund der bisherigen Performance einen Forecast in einem beliebigen Zeitfenster zu erstellen. Wenn also das iPad gekauft wird, weiß das Unternehmen sofort, wie z. B. die dadurch ausgelöste steuerliche Abschreibung wirksam wird. So kann stets eine präzise Prognose erstellt werden.

All diese Daten sind im Grunde bereits heute im System gegeben. Sie wurden bis dato nur nicht verknüpft. Dies wird die Herausforderung der nächsten Jahre sein, um die Entwicklung hin zum Selbstfahrenden Unternehmen voranzutreiben.
Wenn wir davon ausgehen, dass wir in Echtzeit über sämtliche Daten verfügen – Einkauf, Lager, Lieferantenrechnung, Personalkosten, anteilige Fixkosten, künftige steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Effekte etc. – und ebenso schnell eine Prognose erstellen können, liegt eine Grundlage vor, um sämtliche operativen, aber auch taktischen Entscheidungen vollautomatisiert zu treffen und durch Maschinen ausführen zu können.

Wenn z.B. ein Autohersteller mit dem Stahlwerk einen Vertrag abschließt, um im Folgejahr 1,5 Mio. Fahrzeuge produzieren zu können, können in Folge im Stahlwerk sofort alle daraus resultierenden operativen und taktischen Entscheidungen getroffen werden, um diese Menge an Stahlblech-Coils in der gewünschten Qualität herstellen und termingerecht ausliefern zu können.

In Zukunft werden also die für Strategie sowie auch operativen Entscheidungen erforderlichen Simulationen in nie da gewesener Qualität und zu jedem gewünschten Zeitpunkt möglich sein. So können z. B. präzise Simulationen der Szenarien erstellt werden, die durch eine Preiserhöhung aufgrund sämtlicher dadurch ausgelöster Effekte auftreten werden. Während diese Fragestellungen also heute noch überwiegend analog bearbeitet werden, in Meetings mit kontroversen, emotionalen Diskussionen und Flip Charts, werden strategische und operative Entscheidungen in Zukunft immer mehr datengestützt erfolgen, bis sie schließlich ein vollständig selbstfahrendes Unternehmen geschaffen ist.

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