Wertschöpfung von selbstfahrenden Unternehmen Teil 1

Die entscheidenden Kosteneffekte des selbstfahrenden Unternehmens resultieren aus einer enormen Wertschöpfung, aus der wiederum nachhaltige Wettbewerbsvorteile generiert werden können. Ob greifbares oder intangibles Produkt: Von der Idee über die Entwicklung bis zum Markttransfer sorgen vollvernetzte Systeme für die Entlastung von Menschen, progressive Kostensenkung und enorme Beschleunigung bei höchster Präzision.

New Value Design: nie dagewesene Wertschöpfung

Der klassische Wertschöpfungsbegriff stammt vom US-Ökonom Michael E. Porter und beschreibt die Wertschöpfungskette in einem Unternehmen. Während früher vor allem Industriegüter für diesen Mehrwert sorgten, gibt es heute doch viele neue wirtschaftliche Aktivitäten – man denke zum Beispiel an weltweit erfolgreiche Apps. Diese erfolgreichen, meist disruptiven Geschäftsmodelle erbringen mit äußerst geringen Ressourcen eine gewaltige Wertschöpfung. Doch auch in traditionellen Betrieben lassen sich mittels Digitalisierung ungeahnte Effekte realisieren.[1]

Die gesamte industrielle Revolutionen war von der Steigerung der Wertschöpfung getrieben. Nach der Dampfmaschine und der Serienfertigung sorgte die dritte industrielle Revolution mit der Digitalisierung dafür, dass nicht nur körperliche, sondern auch immer mehr geistige Arbeit von Maschinen übernommen wurde. Dies führte oft zu neuen, eintönigen Tätigkeiten, z. B. Manager führen bis heute immer wieder die gleichen Auswertungen mit Excel durch. Seit den 2010er Jahren treibt die vierte industrielle Revolution, Industrie 4.0, erneut die Wertschöpfung nach oben, indem koordinative und kommunikative Prozesse automatisiert und in Echtzeit abgewickelt werden, die zuvor langsam und fehleranfällig von Sachbearbeitern oder dem mittleren Management durchgeführt wurden. Dies führt zu einer erheblichen Beschleunigung aller Prozesse und schafft gleichzeitig eine bessere Transparenz im Unternehmen.

Das selbstfahrende Unternehmen geht noch einen Schritt weiter: Es sorgt dafür, dass Produkte vollautomatisch hergestellt werden – und isolierte, lineare Prozesse in ganzheitlich vernetzte, mehrdimensionale Systeme transformiert werden. Die Herstellungskosten basieren hauptsächlich auf einmaligen Investitionen und laufenden Energie- und Materialkosten, während die Personalkosten erheblich reduziert werden.

Zudem ist davon auszugehen, dass die Möglichkeiten, die kognitive Software bietet, Erfolgstreiber für diejenigen Unternehmen sind, die bereit sind, diese Technologien zu akzeptieren und entsprechende Veränderungen in ihrem Unternehmen zuzulassen.

[1] Vgl. Duric/Hüppauf 2020

Dimensionen der Wertschöpfung

Mehrwert hat mehrere Dimensionen, daher kann unter Wertschöpfung aus dieser Perspektive alles verstanden werden, was den Verkauf fördert. Dies beruht in den meisten Unternehmen auf:[1]

  • einer Unique Selling Proposition, also einem Alleinstellungsmerkmal
  • Schlüsselressourcen
  • Schlüsselaktivitäten

Mit der Nutzung der Digitalisierung können weitere Dimensionen erschlossen werden. Denn allen Produkten ist gemein, dass ihre Erstellung auf Prozessen beruht, die früher oder später entweder vom Unternehmen selbst – oder von der Konkurrenz digitalisiert und automatisiert werden. Wie die Abbildung zeigt: Überall steckt gewaltiges Potenzial zur Steigerung der Wertschöpfung.

[1] Vgl. Joyce/Paquin 2016

Verschmelzen diese einzelnen Systeme, lernen sie in Echtzeit miteinander zu kommunizieren und sich gegenseitig zu optimieren, entsteht aus dem traditionellen Unternehmen der Hochleistungs-Organismus des selbstfahrenden Unternehmens.

Die 5 Treiber der Wertschöpfung in Selbstfahrenden Unternehmen

Bei diesen selbstfahrende Unternehmen ergeben sich fünf wesentliche Treiber der Wertschöpfung:
  • Treiber 1: Forschung und Entwicklung
  • Treiber 2: Produktionsprognose und -planung
  • Treiber 3: Produktionsautomatisierung
  • Treiber 4: Robotik und digitale Zwillinge
  • Treiber 5: Automatisierte Lagersysteme
In diesem Beitrag werden die Treiber 1 und 2, die am Beginn der Wertschöpfungskette stehen beschrieben, die Treiber 3 bis 5 dann im nächsten Artikel.

Treiber 1: Forschung und Entwicklung

Obwohl die Wertschöpfung in einem selbstfahrenden Unternehmen weitgehend automatisiert abläuft, wird die Erforschung und Entwicklung neuer Produkte weiterhin eine menschliche Aufgabe bleiben. Diese „F&E“ wird dann jedoch durch eine Fülle von Informationen vorangetrieben, die aus allen Unternehmensbereichen, Kundenkanälen, dem Internet und allen vernetzten Partnerorganisationen in bisher nicht gekannter Menge und Qualität verfügbar sind.

Der Mensch wird durch die Informationen zu allen Unternehmensbereichen, von der Produktion bis zum Kundenverhalten vielfältige Simulationen und Modelle auf Basis künstlicher Intelligenz erhalten, die bisher in mühsamer Handarbeit erstellt werden mussten. In Zukunft geht es dann für die Mitarbeiter vor allem darum, komplexe und bisher schwer fassbare Phänomene wie Zeitgeist, Trends, latente Bedürfnisse oder mögliche Risikoszenarien in diese Ideen einzubringen.

Diese Regel gilt generell für ein selbstfahrendes Unternehmen. Produktinnovationen werden weiterhin evolutionär nach dem „fail-fast“-Prinzip entwickelt – nur werden in Zukunft unzählige parallele Produktideen erstellt und verfolgt und selektiert. Eine früher und schneller Markttransfer ist für diesen Ansatz von entscheidender Bedeutung. In frühen Entwicklungsstadien werden dabei mehrere Produktvarianten mit einzelnen Kundengruppen getestet. Auf diese Weise erhält das selbstfahrende Unternehmen schnell eine breite Feedback-Datenbank zu den einzelnen Variationen. Diese Informationen können im Labor ausgewertet und zu idealen Produktvarianten entwickelt werden. Durch das „Fail-Fast“-Prinzip können unterschiedliche Ansätze getestet werden, ohne sie künstlich unnötig lange am Leben zu halten. Die auf diese Weise extrem günstig erstellte Produktidee wird nur dann weiterverfolgt, wenn der gewünschte Erfolg absehbar ist – alle bisherigen Varianten und Ideen werden rasch bewertet und dann ggf. nicht weiter verfolgt.

Treiber 2: Produktionsprognose und -planung

Michael Bloomberg wurde durch das gezielte Sammeln, Analysieren und Verarbeiten von Marktdaten mit einem Vermögen von rund 77 Milliarden Dollar (Stand 2022, Tendenz steigend) zu einem der reichsten Menschen der Welt. Der unschätzbare Wert seiner Daten für die Kunden beruht auf der verbesserten Planbarkeit ihrer Investitions- und Produktionsentscheidungen durch den Abgleich dieser Analyseergebnisse mit internen Informationen oder der Unternehmenssituation.

Aufgrund der immer schnelleren Veränderungen auf den globalen Märkten wird die Bedeutung solcher Datenanalysen in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Obwohl dieser Prozess in den meisten Unternehmen noch immer von Menschen durchgeführt wird – zum Beispiel von Mitarbeitern der Controllingabteilung für den Finanzchef CFO, der dann diese Analysen mit dem CEO bespricht – wird dieser Prozess dank der Möglichkeiten künstlicher Intelligenz und Big Data Analytics auf dem Weg zum selbstfahrenden Unternehmen zunehmend automatisiert. Auf diese Weise liegt eine Planungsgrundlage vor, auf der alle Aktivitäten in der Produktion und in Zusammenarbeit mit Lieferanten im Sinne der Steigerung der Wertschöpfung optimiert werden können. Obwohl Einkaufs- und Personalentscheidungen auch heute noch auf der Grundlage umfangreicher Planungsgespräche und Vertragsverhandlungen getroffen werden, kann in einem selbstfahrenden Unternehmen eine umfassende Vertriebs- und Produktionsplanung weitgehend ohne menschliches Zutun erfolgen.

Eine der wichtigsten Prioritäten für die Wertschöpfung wird in den kommenden Jahren die Prognose der zukünftigen Produktion sein. Die zukunftsorientierte Planung der Produktionskapazität muss neben Marktdaten auch die Absatzplanung und aktuelle Verkaufszahlen beinhalten. In früheren Unternehmen wäre dieser Prozess aufgrund der „Silobildung“ von Abteilungen und unterschiedlichen Datenbanken nicht möglich gewesen. In einem selbstfahrenden Unternehmen stehen sämtliche, in Echtzeit generierten Unternehmensinformationen allen Berechtigten und allen Softwaresystemen zur Verfügung. Die Vertriebsprozesse sind standardisiert und ihre Informationen sind in digitaler Form verfügbar. Auf diese Weise gelangt die bedarfsorientierte Produktion in die Pipeline und setzt dann intelligente Algorithmen ein, um wiederum die Produktionskapazitäten und Lagerbeständen zu planen. Leerlaufzeiten oder Produktionsschwankungen werden mit Hilfe intelligenter Algorithmen frühzeitig erkannt und durch Rückführung von Schleifen in den Vertrieb automatisch reduziert. Damit entsteht ein Hochleistungs-Regelkreis, der in enormer Geschwindigkeit ebensolche Datenmengen im Sinne der Optimierung der Produktion bewältigt.

Quellen

Duric, Aleksander; Hüppauf, Martin (2019): Prozesse im eigenen Unternehmen: Identifizieren – Entwickeln – Steuern. Stuttgart: Kohlhammer.

Joyce, Alexander; Paquin, Raymond (2016): The triple layered business model canvas: A tool to design more sustainable business models. In: Journal of Cleaner Production, Volume 135, 1 November 2016, S. 1474–1486.

Thoppil, Saji: New Value Generation – the Special world of Industry 4.0 and the bounderryless compute fabric https://www.wipro.com/cloud/new-value-generation-the-special-world-of-industry-4-0-and-the-boundaryless-compute-fabric/2019 [heruntergeladen am 25.04.2021].

Letzte Beiträge
Beitrag teilen:
Facebook
Twitter
LinkedIn
XING
Email