Beispiel: Steuer-Tools mit Prognose-Simulation
Traditionell verwaltete Staaten verfügen über Gesetze mit komplexen Regelungen zur Berechnung von Einkommensteuererklärungen, mit hunderten unterschiedlicher Auslegungsmöglichkeiten. Jedes Unternehmen, beispielsweise eine Schreinerei, wird sich je nach Vorkenntnissen mehr oder weniger intensiv mit diesem Gesetzes-Konvolut auseinandersetzen müssen, um vom Staat eine möglichst günstige und faire Steuerbehandlung zu erhalten. In einer selbstfahrenden Staatsverwaltung erhält das Unternehmen auf Initiative des Finanzamts einen Algorithmus in Form eines einfach zu bedienenden Tools mit intuitiven Benutzeroberflächen, vergleichbar mit einer Gesundheits-App, das von Jedermann ohne Erfahrung sofort genutzt werden kann.
Je nach Digitalisierungsgrad des Unternehmens erfassen die vom Staat bereitgestellten Rechenkerne alle Daten, die das System nach der Erteilung der Genehmigung sofort auslesen kann. Das Unternehmen weiß dann genau, welche Daten wie bereitgestellt werden, ohne sich im Einzelnen darum bemühen zu müssen. Im Idealfall kann die aktuelle Steuersituation kontinuierlich ermittelt und die entsprechenden Zahlungen können vom Unternehmen in voller Transparenz eingezogen werden, sodass die klassische jährliche und damit träge Steuererklärung der Vergangenheit angehört.
Wenn an der Schnittstelle zum Staat bereits ein selbstfahrendes Unternehmen existiert, ermöglichen dann vielfältige Analyse- und Prognosetools eine agile strategische und operative Steuerung. Zunächst sind – wie der menschliche Sachbearbeiter – auch diese Algorithmen unter bestimmten Umständen fehlerhaft.
Beispielsweise könnte in einer Schreinerei ein Algorithmus feststellen, dass die eingekaufte Holzmenge nicht mit jener Menge übereinstimmt, die im Laufe der Zeit zu Produkten verarbeitet und verkauft wird. Daraufhin erstattet die Schreinerei dem Steuerinspektor einen Bericht. Hier zeigt sich jedoch schnell, dass die Schreiner einfach die günstigen Preisbedingungen auf dem Schnittholzmarkt ausgenutzt haben, um große Lagerbestände aufzubauen.
Laufende Verbesserung und steigendes Vertrauen
Insgesamt ist die Fehlerquote beim selbstfahrenden Staat jedoch deutlich geringer als bei menschlichen Sachbearbeitern. Der Algorithmus basiert auf komplexen und präzisen Kontrollstrukturen und ist unbegrenzt lernfähig. Wenn die anfangs wenigen Fehler korrigiert werden, wird der verbesserte Algorithmus diese Art von Fehlern in Zukunft vermeiden – ähnlich, wie die Übersetzungs- oder Spracherkennungs-Algorithmen immer besser werden. Insgesamt kann das gesamte System selbstfahrender Staaten auf diese Weise über alle Ebenen und Sektoren hinweg weiter an Reife gewinnen.
Neben diesen Verbesserungen können wir auch davon ausgehen, dass die positive Einstellung der Bürger und Unternehmer zu ihrem Land kontinuierlich zunehmen wird. Denn mit zunehmendem Reifegrad können unerwünschte Vorgänge verhindert und so die Zuverlässigkeit der Verwaltung erhöht werden. Dadurch wird auch jegliche Form von Willkür, Vetternwirtschaft oder Bevorzugung parteinaher Unternehmen nahezu ausgeschlossen. Die Steuergerechtigkeit wird zunehmen und damit auch die Bereitschaft, Steuergelder für das Gemeinwohl bereitzustellen. Die Verringerung der manuellen Entwicklungsarbeit an Algorithmen im Laufe der Zeit und die Erhöhung der Anzahl automatisierter Prozesse werden auf lange Sicht zu enormen Einsparungen führen und letztendlich die Steuerbelastung für Menschen und Unternehmen im ganzen Land erheblich verringern.
Transparenz statt Überwachung
Eine digitale, selbstfahrende Staatsverwaltung kann es besser denn je vermeiden, zu einem Überwachungsstaat zu werden. Der große Vorteil besteht darin, dass alle Systeme und Daten vollständig vernetzt sind, sodass Administratoren alle „versteckten Ecken“ entfernen und eine völlig transparente Kontrolle ermöglichen können. Hierzu muss der Staat auf politischer Ebene und damit auf Basis des Wählerwillens und ethischer, nachhaltiger Grundsätze klare Richtlinien und Verfahren festlegen, an die sich die Software konsequent und ohne Eigeninteresse halten muss. Sinnvoll ist die Einrichtung einer unabhängigen Stelle, welche die Praktiken überwacht und dafür sorgt, dass der Datenschutz im Einklang mit Gesetzen und Verfassungen steht und einzelne Diskriminierungsfälle (bei Unternehmen z. B. bestimmter Branchen) eingehalten werden. Darüber hinaus können zusätzliche Sicherheitssysteme eingerichtet werden, um die Integrität personenbezogener Daten und Informationen sicherzustellen, z. B. durch Verschlüsselungstechniken, Anonymisierung, strenge Zugriffsbeschränkungen auf sensible Daten und Informationen, regelmäßige Audits und Einbindung von Interessensgruppen.
Technik befreit von Bürokratie
Die Mehrheit der Menschen und Unternehmen befürwortet eine effektive Regierung. Der selbstfahrende Staat kann dies mehr denn je leisten, im Sinne von „Gestalten statt Verwalten“ legen politische Parteien Ziele aus der Sicht des Volkes fest, und der Wille des Volkes kommt durch die Wahlentscheidungen zum Ausdruck. Der selbstfahrende Staat strebt hocheffektiv danach, diese Ziele zu erreichen und dabei alle rechtlichen, ethischen und moralischen Bedingungen zu erfüllen. Damit fungiert er als reines Verwaltungsinstrument, um staatliche Bürokratie zu bekämpfen und Verwaltungsabläufe zu vereinfachen und enorm zu beschleunigen. Dafür können Software und künstliche Intelligenz vielfältig eingesetzt werden. Mittels Prozessautomatisierung wird der Bedarf an manuellen Aufgaben reduziert. Die Genehmigung von Anträgen erfolgt automatisch und nicht manuell durch mehrere Sachbearbeiter. Aufgrund der Vielzahl an Anträgen, die sich im klassischen, analogen Staat oft häufen, kommt es immer wieder zu langen Genehmigungsverzögerungen, beispielsweise dauert dies aktuell für einen Windpark in Österreich bis zu acht Jahre.
Darüber hinaus ermöglicht der selbstfahrende Staat mittels durchgängiger Digitalisierung von Dokumenten, diese einmal zu speichern und sie einfach elektronisch zu teilen und zu bearbeiten, ohne dass physische Kopien erforderlich sind. Dies vereinfacht auch das Dokumentenmanagement an der Schnittstelle zu Bürgern und Unternehmen erheblich: kein Schlangestehen vor der Amtsstube mehr, kein Bezahlen von Briefmarken, keine Verlustbestätigung, wenn wir unsere Dokumente trotz stundenlangem Suchen nicht finden können.
Früher waren Daten in Ordnern, Büros und Archiven fragmentiert, unvollständig, fehlerhaft und digital nicht lesbar – jetzt stehen sie für alle Anforderungen in Echtzeit zur Verfügung. Die Nutzung einer einzigen gemeinsamen Plattform mit automatisierten Prozessen verbessert auch die Kommunikation zwischen verschiedenen Abteilungen und Mitarbeitern, um Informationen auszutauschen, Verzögerungen zu vermeiden und Entscheidungen schneller und präziser zu treffen.
Wenn wir uns also den analogen Ist-Zustand ansehen, können wir erkennen, welche unerwarteten Vorteile die Digitalisierung mit sich bringt. Denn die Kommunikation erfolgt bis heute über umständliche Methoden wie Telefonanrufe, das Kopieren von Ordnern, das Versenden von Briefen oder oft lange und ineffiziente Besprechungen. Darüber hinaus werden häufig Informationen zurückgehalten oder Akten zugunsten der Interessen interner Abteilungen geschwärzt.
Auf digitaler Basis kann hingegen ein deutlich leistungsfähigeres Workflow-Management aufgebaut werden. Die Software wird in der Lage sein, nahezu jeden Managementprozess schneller und effizienter abzuwickeln, als dies bisher mit menschlichem analogem Setting möglich war. Im autonomen Setting kann die Software blitzschnell Daten sammeln, speichern, verarbeiten und bei Bedarf abfragen und behält dabei den vollständigen Überblick über den aktuellen Gesamtzustand. Darüber hinaus können selbstlernende KI-Systeme Engpässe und Probleme erkennen, melden und selbst beheben.
Der Staat als Business Model
Ein agiles Management der Staatsverwaltung wird in ungeahnter Weise möglich, wenn alle Daten vollständig in Echtzeit vernetzt sind. Das bedeutet, dass der Staat die Voraussetzungen für eine flexiblere Anpassung der Regulierungsbestimmungen schafft, um eine gerechtere Gerechtigkeit für Unternehmen und Bürger zu gewährleisten, die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken und neue Technologien zu fördern. Hierzu ist es wichtig, leistungsstarke Schnittstellen zwischen dem Staat und seinen Unternehmen zu haben. Auf dieser technologischen Grundlage können selbstfahrende Staaten durch kollaborative Governance Unternehmen, Organisationen, Gemeinschaften und Bürger stärker in die Entscheidungsfindung einbeziehen und so die Legitimität und Akzeptanz von Entscheidungen erhöhen.
Mithilfe von Software und intuitiven Benutzeroberflächen können diese Prozesse erheblich vereinfacht werden: Bürger, Unternehmen und Gemeinden erhalten Umfragen per E-Mail oder Mobiltelefon und können schnell und bequem antworten, ohne zu suchen, auszudrucken, Papier auszufüllen oder irgendwo in langen Schlangen zu warten. Ein disruptives Geschäftsmodell für den Staat könnte auch bedeuten, neue Einnahmequellen für den Staat zu erschließen, um seinen Haushalt zu verbessern. Beispielsweise könnten Nationen stärker auf Einnahmen aus der Datenwirtschaft und der Sharing Economy setzen. Denkbar ist, eine geringe Gebühr zu erheben, wenn den Unternehmen die oben beschriebenen Rechenkerne zur automatischen Steuerberechnung zur Verfügung gestellt werden – denn auch an der Unternehmens-Schnittstelle wird weit weniger Aufwand erforderlich und der Nutzen groß sein. Eine Sharing Economy könnte beispielsweise bedeuten, dass Online-Plattformen die gemeinsame Nutzung öffentlicher Geräte, Maschinen oder Unterkünfte innerhalb eines Projekts gewährleisten. Auch eine Kofinanzierung größerer Anliegen ist damit möglich. Beispielsweise können Multi-Stakeholder-Partnerschaften für nachhaltige Begrünungs- oder Umnutzungsprojekte in verlassenen Industriegebieten eingerichtet werden. Damit wird eine nachhaltige Basis für einen immer besseren Staat für alle Interessensgruppen geschaffen.