Skill Set für selbstfahrende Unternehmen

Das selbstfahrende Unternehmen wird die Tätigkeitsbereiche und Aufgabenprofile von Mitarbeitern auf allen Ebenen völlig verändern. Die Menschen benötigen ein starkes Verständnis für Datenanalyse und -interpretation werden, da Daten eine zentrale Rolle bei Entscheidungen spielen. Zudem wird die Fähigkeit, sich schnell an neue Technologien und Verfahren anzupassen, entscheidend sein, denn selbstfahrende Unternehmen werden sich dynamisch weiterentwickeln. Da die Automatisierung Routineaufgaben übernimmt, müssen die Mitarbeiter gemeinsam kreative Lösungen entwickeln und innovative Ideen generieren. Zielführend wird dafür eine effektive Kommunikation und Teamarbeit sein, um Ideen über die Abteilungsgrenzen hinaus auszutauschen und gemeinsam an komplexen Problemlösungen zu arbeiten. Die Bereitschaft, sich kontinuierlich weiterzubilden und sich neuen Anforderungen anzupassen, wird wichtig sein, da auch Technologien sich rasch weiterentwickeln.

Mehr Menschlichkeit im mittleren Management

Vor allem die Rolle des mittleren Managements wird sich im selbstfahrenden Unternehmen stark verändern und sich in Richtung Beziehungsaufbau und Kreativität verlagern, da alltägliche kleine Entscheidungen von selbstlernenden Algorithmen übernommen werden. Diese Algorithmen sind aufgrund unbegrenzter Ressourcen zur Bewältigung komplexer Echtzeit-Daten deutlich effizienter als Menschen. Zudem arbeiten Computer unermüdlich rund um die Uhr und übernehmen auch Wochenenddienste, ohne erschöpft, feheranfällig oder krank zu werden. Infolgedessen werden viele Management-Funktionen im Zuge des selbstfahrenden Unternehmens überflüssig, aber von neuen Aufgaben abgelöst.

Das Profil der Tätigkeiten im mittleren Management wird qualitativ aufgewertet: Repetitive Routinen fallen weg, vermehrt entsteht zwischenmenschlicher Kontakt, um sich auf neue Aufgaben einzustellen und gemeinsam mit Kunden und Stakeholdern innovative Lösungen zu entwickeln, die auch in Zukunft über die Kapazitäten der IT hinausgehen werden. Durch die gesteigerte Agilität der Unternehmen und die Auflösung traditioneller hierarchischer Strukturen sowie vertikaler und horizontaler Abteilungsgrenzen werden persönliche Kontakte variieren, da sie jeweils stark auf die jeweiligen Aufgaben ausgerichtet sind.

Diese Agilität bringt eine erheblich größere Vielfalt der Aufgaben mit sich, in der Manager mit verschiedenen Personen in selbstorganisierten Teams arbeiten. Dabei wird entscheidend sein, empathisch auf die Interessensgruppen einzugehen, offen und neugierig aufeinander zuzugehen, aktiv zuzuhören und Ideen in einer hochqualitativen Diskussionskultur zu erörtern. Die mittleren Manager werden also mehr als Coaches, Berater und Trainer fungieren. Sie bringen ihr grundlegendes Fachwissen mit und werden auf eine Vielzahl interner und externer Datenquellen zugreifen, um Informationen mit einfachen Werkzeugen zielgerichtet aufzubereiten.

Eine zunehmende Bedeutung im selbstfahrenden Unternehmen werden die Wissensarbeiter haben. Ihre Schlüsselqualifikationen liegen in einem fundierten Basiswissen, in methodischen Komptenzen und der Bereitschaft zum kontinuierlichen Lernen. Vor allem die Fähigkeit, Algorithmen und Daten zu verstehen, um Informationen in Erkenntnisse zu transformieren wird eine entscheidende Schlüsselkompetenz sein. Ihre Erkenntnisse werden die Wissensarbeiter wiederum in die Software-Systeme integrieren.

Bereitschaft zur Flexibilität für unterstützende Arbeitskräfte

In einem selbstfahrenden Unternehmen wird auch die Rolle der Hilfskräfte einen signifikanten Wandel erfahren. Diese werden größtenteils nicht mehr in einem festen Anstellungsverhältnis mit einem Unternehmen stehen, sondern über Online-Plattformen – ähnlich wie in sozialen Medien – für spezifische, isolierte Aufgaben mit Unternehmen verknüpft werden. Die Zukunft wird zeigen, ob diese ausschließlich über Personalvermittlungsagenturen angestellt und vermittelt werden – oder ob sich auch direkte, aufgabenbasierte Anstellungsverhältnisse über diese Plattformen entwickeln. Um dies zu erreichen, bedarf es einer gründlichen Überarbeitung der Arbeitsrechtsregelungen in Europa, da derzeit eine Tendenz zur Selbstständigkeit besteht. Das neue Beschäftigungsmodell ähnelt saisonaler Arbeit, jedoch auf sicherer Basis und die jeweilige Einsatzdauer wird flexibel über Wochen, Monate oder sogar Tage gesteuert.

Die Hilfskräfte werden ihre Bewerbungsprofile, persönlichen Präferenzen sowie ihre fachlichen Fähigkeiten und Ausbildungen auf der Plattform bereitstellen. Eine Software wird automatisch alle angenommenen Aufgaben ergänzen und diese durch Bewertungen der beauftragenden Unternehmen von den individuellen Arbeitern ergänzen. Im Gegenzug haben auch die Hilfskräfte die Möglichkeit, Unternehmen zu bewerten. So entsteht ein aufgabenorientiertes, effektives Ökosystem, das für ausreichende menschliche Ressourcen für Aufgaben in softwaregesteuerten Teams sorgt.

Für die Menschen in diesem System bedeutet die aufgabenorientierte Arbeitsvermittlung ständig wechselnde und herausfordernde spannende Tätigkeiten – dies aber in einem weitgehend sicheren existenziellen Rahmen. Dabei stehen jedoch die Präferenzen und Bedürfnisse des Individuums im Vordergrund, was zu einer nie dagewesenen Wahlfreiheit führt. In Lebensphasen mit erhöhtem Kapitalbedarf, beispielsweise beim Hausbau, werden diese Hilfskräfte eher nach Tätigkeiten mit höherer Entlohnung suchen: Das können einfache Arbeiten am Hochofen sein, die Wartung von Offshore-Windparks, nächtliche Reparaturarbeiten an Bahnstrecken oder Autobahnen oder Nachtdienste im 5-Stern-Hotel oder in der Pflegeassistenz. Während Phasen der Kindererziehung wird man die Arbeitsbelastung reduzieren und Tätigkeiten auswählen, die möglicherweise remote ausgeführt werden können. Beispielsweise einfache Fehlerbehebungsprogrammierung, manuelle Fernsteuerung von Robotersystemen oder das Erkennen von Mustern zur Schulung neuronaler Netzwerke. Die Entscheidung über den Umfang der Anstellung liegt somit stets beim einzelnen Angestellten.

Mehr Strategie-Skills für das Top-Management

Auch im selbststeuernden Unternehmen bleibt die Entwicklung und Steuerung der Strategien eine Aufgabe des Top-Managements. Auch weiterhin basiert die Entwicklung von Strategien vor allem auf den Fähigkeiten der Menschen, die damit betraut sind. Diese beruhen oft auf Erfahrung, Intuition, Fachkenntnissen und Macht. Aus theoretischer Sicht lassen sich diese Faktoren in drei Kategorien zusammenfassen:

  • Daten
  • Analyse
  • Simulation

Doch im selbstfahrenden Unternehmens können alle drei digital erfasst und verarbeitet werden und bieten damit ein erheblich umfassendere und validere Grundlage für die Strategie.

Bisher werden sämtliche strategischen Prozesse jedoch größtenteils von Menschen durchgeführt, wenn auch teilweise durch Berichte unterstützt, die durch ERP-Systeme oder Kalkulationsprogramme erstellt werden. Um die basierende Intuition und Erfahrung der einzelnen Mitarbeiter zu nutzen, finden häufig Strategieklausuren statt. Dabei sind Abteilungsleiter, Außendienstmitarbeiter, Produktmanager, Marketingleiter und das Controlling beteiligt. In diesen Treffen werden verschiedene Szenarien diskutiert, Vorschläge und Bedenken vorgebracht, bis letztlich der Faktor Macht – repräsentiert durch den CEO gegen Ende des Workshops – entscheidet. Der Erfolg des Unternehmens in den folgenden drei bis fünf Jahren hängt damit maßgeblich von dieser CEO-Entscheidung ab. Die Strategie wird daraufhin in operative Pläne umgesetzt, die von der mittleren Führungsebene in kürzeren Zeiträumen auf Zielerreichung überprüft werden.

Dennoch bleibt die Gesamtstrategie heute meist unüberprüfbar, da sie größtenteils auf dem Bauchgefühl des CEOs beruht. So entsteht eine Situation, in der Großes und Unklareres durch penible Teilpläne präzise kontrolliert und umgesetzt wird. Zusätzlich beeinflusst der menschliche Faktor erneut die Umsetzung der operativen Pläne: Machtkämpfe in Abteilungen, Blockade von Informationen oder scheinbare Verantwortlichenwechsel können auftreten.

Damit wird offensichtlich, dass gerade beim CEO eine der wesentlichsten Funktionen im Unternehmen  – die Strategieentwicklung – stark von Soft Skills wie Emotionen und Intuition beeinflusst wird, anstatt Strategien systematisch auf der Basis gesicherter Daten abzuleiten, um dann eine durchgängig nachvollziehbare Entscheidung zu treffen. Im selbstfahrenden Unternehmen des Jahres 2035 werden weitaus mehr Daten zur Grundlage dieser Entscheidungen bereitstehen als heute. Alle Daten werden im System erfasst und auf verschiedenste Arten ausgewertet. Die entworfenen Szenarien umfassen sämtliche Auswirkungen auf das Unternehmen.

Daher liegt selbstfahrenden Unternehmen bereits bei den ersten strategischen Entscheidungen eine solide Datenbasis vor, von der in Folge automatisch operative Pläne abgeleitet werden können. Zwischenberichte oder Intervalle sind nicht mehr erforderlich, da jegliche Abweichung von den Zielen in Echtzeit erfasst wird und z. B. über ein Dashboard jederzeit vidualisiert werden kann. Bei entsprechenden Abweichungen erfolgt je nach Vorgabe eine sofortige Meldung an das Management, verbunden mit verschiedenen, auf Szenarioberechnungen basierenden Korrekturoptionen und daraus abgeleiteten Prognosen für sämtliche Unternehmensbereiche.

Früher dauerte es oft Jahre, um Feedback über die Wirkung der Strategie zu erhalten – im selbstfahrenden Unternehmen erfolgt dies kontinuierlich in Echtzeit. Dies trägt erheblich zur Sicherheit und Risikominderung im Unternehmen bei. Mitarbeiter haben ständig Zugriff auf transparente und bis ins kleinste Detail nachvollziehbare Entscheidungsgrundlagen. Zudem können sie anhand dieser Daten Ideen entwickeln, die über den Aktionsradius des Systems hinausgehen – sei es durch die Kreation kreativer neuer Produkte, basierend auf horizontaler oder vertikaler Diversifikation oder durch die Erschließung neuer Märkte in neuen Ländern sowie in Nischen, die sich aufgrund aktueller gesellschaftlicher oder technologischer Entwicklungen ergeben haben.

Die analoge Strategie gleicht einem großen, alten Öltanker, der auf Basis der Kapitäns-Erfahrung seinen Weg findet, jedoch zu spät auf Gefahren reagiert und träge auf Steuerbewegungen reagiert. Im Vergleich dazu ist die neue Strategiefindung wie ein Schwarm kleiner, extrem schneller Boote, die kontinuierlich kommunizieren und Informationen aus vielen Perspektiven abgleichen, um sicher und schnell voranzukommen. Tritt ein unerwartetes Problem auf, betrifft es nur einzelne Boote, die sofort ihre Lage mitteilen und zu Korrekturen führen, die von anderen Booten umgesetzt werden.

In einem solchen dezentralen System kommen Entscheidungen im selbstfahrenden Unternehmen nicht starr von oben, sondern basieren auf einer soliden übergeordneten Strategie, die auf Basis vollständig kommunizierter bzw. verfügbarer Echtzeit-Daten von allen Akteuren in wechselseitiger Abstimmung umgesetzt werden kann. Dadurch entstehen keine Leerläufe aufgrund mangelnder oder ineffizienter Kommunikation. Die vielen kleinen Entscheidungen formen vielmehr ein Netzwerk, das sich konsequent auf sein Ziel ausrichtet. Zudem fördert eine gesicherte und transparente Datengrundlage die Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz sämtlicher Entscheidungen bei den Mitarbeitern. Dadurch werden im selbstfahrenden Unternehmen immense Potenziale freigesetzt, welche die Leistungsfähigkeit des gesamten Unternehmens steigern und das Tätigkeitsprofil der Menschen in allen Bereichen aufwerten und bereichern.

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